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Cibinqo®
Abrocitinib
Inhibitor der Januskinase 1
Abrocitinib (Cibinqo®), ein Inhibitor der Januskinase 1 (JAK1), wird bei Erwachsenen mit mittelschwerer bis schwerer atopischer Dermatitis angewendet, die für eine systemische Therapie infrage kommen. Nach peroraler Anwendung kann eine Verringerung von Entzündungsbiomarkern wie den Interleukinen 4, 13, 22 und 31 erreicht werden.
Abrocitinib
ATC-Code
D: Dermatika
D11: Andere Dermatika
D11A: Andere Dermatika
D11AH: Mittel zur Behandlung der Dermatitis, exkl. Corticosteroide
Wirkungsmechanismus
Januskinasen (JAK) sind zytoplasmatische Tyrosinkinasen. Sie leiten Signale von Zytokinen und Wachstumsfaktoren weiter, die unter anderem eine wichtige Rolle bei immunologischen und inflammatorischen Prozessen sowie bei der Hämatopoese spielen.
Die JAK-Enzymfamilie umfasst die vier Mitglieder JAK1, JAK2, JAK3 und TYK2 (non-receptor tyrosine-protein kinase 2) mit sich überschneidenden Funktionen. Nach dem Andocken eines Signalmoleküls an Zytokin-Rezeptoren phosphorylieren sie sogenannte STAT-Proteine (Signaltransduktoren und Aktivatoren der Transkription) und bewirken so eine Aktivierung des JAK-STAT-Signalwegs. Die Januskinase 1 vermittelt insbesondere die Signaltransduktion von proinflammatorischen Zytokinen und ist damit für die Pathogenese der atopischen Dermatitis von Bedeutung. Der neue Wirkstoff Abrocitinib ist ein selektiver Inhibitor von JAK1 und hemmt somit bevorzugt die zytokininduzierte STAT-Phosphorylierung durch JAK-Signalpaare, an denen JAK1 beteiligt ist. Die Relevanz dieser selektiven enzymatischen Hemmung spezifischer JAK-Enzyme für die klinische Wirkung bei atopischer Dermatitis ist derzeit allerdings nicht bekannt. Bei den Behandelten wird eine dosisabhängige Verringerung der für Entzündungsreaktionen maßgeblichen Interleukine sowie der Eosinophilenzahl beobachtet. Als Folge sinken die Anzahl der natürlichen Killerzellen und die Konzentrationen von hochsensitivem C-reaktivem Protein, während die Anzahl an B-Zellen ansteigt.
Pharmakokinetik
Resorption: Nach peroraler Applikation werden bereits innerhalb von einer Stunde maximale Plasmaspiegel gemessen. Die Bioverfügbarkeit liegt bei etwa 60%. Eine gleichzeitige Nahrungsaufnahme führt nur zu einer geringen Steigerung der aufgenommenen Menge.
Proteinbindung, Verteilung: Die Plasmaproteinbindung von Abrocitinib und seinen pharmakologisch aktiven Metaboliten M1 und M2 liegt bei 64, 37 und 29%. Das Verteilungsvolumen der Muttersubstanz beträgt 100 Liter.
Metabolismus: Der JAK1-Inhibitor wird hauptsächlich durch CYP2C19 und CYP2C9, in geringerem Ausmaß durch CYP3A4 und CYP2B6 biotransformiert. Im Wesentlichen entstehen polare hydroxylierte Derivate. Die Metaboliten M1 und M2 weisen ein ähnliches JAK1-inhibitorisches Profil wie Abrocitinib auf. Die pharmakologische Aktivität wird zu 60% auf die Muttersubstanz und zu 10 bzw. 30% auf die Metaboliten M1 und M2 zurückgeführt.
Exkretion: Abrocitinib wird überwiegend in Form von Metaboliten renal ausgeschieden. Die Eliminationshalbwertszeit liegt bei etwa fünf Stunden.
Dosierung, Art und Dauer der Anwendung
Abrocitinib wird zunächst in einer Dosis von einmal täglich 200 mg eingenommen. Patienten ab 65 Jahren erhalten entsprechend 100 mg. Bei Patienten, die unter Übelkeit leiden, empfiehlt sich die Applikation zusammen mit einer Mahlzeit. Im weiteren Verlauf kann die Dosis in Abhängigkeit von der Verträglichkeit und Wirksamkeit angepasst werden. 200 mg gelten als Tageshöchstdosis. Eine Kombination mit Arzneimitteln zur topischen Anwendung bei atopischer Dermatitis ist möglich. Eine ausgelassene Dosis kann innerhalb von zwölf Stunden nachgeholt werden. Anschließend ist die Einnahme zu den regulär geplanten Zeitpunkten fortzusetzen. Beim Auftreten von Nebenwirkungen wie schwerwiegenden Infektionen ist bis zur Erholung eine Unterbrechung der Abrocitinib-Therapie angeraten. Falls nach 24 Behandlungswochen kein therapeutischer Nutzen erkennbar ist, sollte die Therapie beendet werden. Beim kombinierten Einsatz von dualen starken CYP2C19- und mäßigen CYP2C9-Inhibitoren oder starken CYP2C19-Inhibitoren wie Fluvoxamin, Fluconazol, Fluoxetin oder Ticlopidin sollte die Abrocitinib-Dosis halbiert werden. Eine gleichzeitige Anwendung mit mäßigen oder starken CYP2C19-/CYP2C9-Induktoren wie Rifampicin, Apalutamid, Efavirenz oder Phenytoin ist zu vermeiden. Auch bei Patienten mit mittelschwerer Nierenfunktionsstörung ist eine Halbierung der Dosis angeraten. Bei schwerer Niereninsuffizienz beträgt die Anfangsdosis einmal täglich 50 mg, die Tageshöchstdosis liegt bei 100 mg.
Zur Behandlung von Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz sind keine Erfahrungen vorhanden. Sicherheit und Wirksamkeit von Abrocitinib für die Therapie von Kindern unter zwölf Jahren sind bisher noch nicht erwiesen. Auch bei Jugendlichen von 12 bis 17 Jahren ist Vorsicht geboten. Tierversuche deuten auf eine mögliche Beeinträchtigung des Knochenwachstums.
Kontraindikationen
Bei Überempfindlichkeit gegen Abrocitinib, aktiver, schwerwiegender systemischer Infektion, einschließlich Tuberkulose, schweren Leberfunktionsstörungen sowie während der Schwangerschaft und der Stillzeit besteht eine Kontraindikation. Auch bei Patienten mit einer Thrombozytenzahl von weniger als 150 × 103/mm3, einer absoluten Lymphozytenzahl von weniger als 0,5 × 103/mm3, einer absoluten Neutrophilenzahl von weniger als 1,2 × 103/mm3 oder einem Hämoglobinwert von weniger als 10 g/dl sollte eine Therapie nicht begonnen werden.
Unerwünschte Wirkungen
Während der Behandlung mit Abrocitinib kommt es sehr häufig zu Übelkeit. Häufig wird über Herpes-simplex- bzw. -zoster-Infektionen, Kopfschmerzen, Schwindelgefühle, Erbrechen, Schmerzen im Oberbauch, Akne sowie über stark erhöhte Creatinphosphokinase-Werte berichtet. Gelegentlich treten Pneumonien, Thrombozytopenien, Lymphopenien, Hyperlipidämien und thrombotische Ereignisse einschließlich Lungenembolien auf.
Wechselwirkungen
Wie im Abschnitt „Dosierung, Art und Dauer der Anwendung“ erwähnt, ist bei der kombinierten Anwendung von Inhibitoren oder Induktoren der primären Biotransformationsenzyme CYP2C19 und CYP2C9 Vorsicht geboten, da die Gefahr von verstärkter Toxizität bzw. eines Wirkverlusts von Abrocitinib besteht. Auch Inhibitoren und Induktoren der für den JAK1-Inhibitor weniger relevanten Enzyme CYP3A4 und CYP2B6 wie Azol-Antimykotika und Makrolid-Antibiotika bzw. verschiedene Antiepileptika können die Bioverfügbarkeit von Abrocitinib maßgeblich verändern. Arzneistoffe, die wie Antacida, H2-Antihistaminika oder Protonenpumpeninhibitoren (z. B. Omeprazol) den pH-Wert des Magens erhöhen, führen möglicherweise zu einer reduzierten Resorption von Abrocitinib. Bei der gleichzeitigen Anwendung von Substraten des Transporters P-Glykoprotein (P-gp) muss mit einer Erhöhung von deren Bioverfügbarkeit gerechnet werden, da sich Abrocitinib zumindest in vitro als P-gp-Inhibitor gezeigt hat. Bei Substraten mit geringer therapeutischer Breite wie Digoxin oder Dabigatran besteht die Gefahr von verstärkter Toxizität. Aufgrund von weiteren In-vitro-Untersuchungen ist auch bei Substraten von CYP2B6, CYP1A2 und CYP2C19 mit einer Veränderung von deren Plasmaspiegeln zu rechnen. Abrocitinib induziert die Enzyme CYP2B6 und CYP1A2 und induziert und hemmt, je nach Konstellation, CYP2C19. Vorsicht ist daher z. B. beim kombinierten Einsatz von Substanzen wie Bupropion, Efavirenz, Alosetron, Duloxetin und Tizanidin geboten.
Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen
Während einer Behandlung mit Abrocitinib kann es zu schwerwiegenden Infektionen wie Pneumonien kommen. Auch Herpes-simplex- oder -zoster-Neuerkrankungen bzw. -Reaktivierungen sind möglich. Vor dem Einsatz des JAK1-Inhibitors bei Patienten mit chronischen oder rezidivierenden Infektionen, Kontakt mit Tuberkulose-Erkrankten sowie schwerwiegenden oder opportunistischen Infektionen in der Vorgeschichte sollte daher eine strenge Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen. Dies ist ebenso für Personen unter Immunsuppression oder mit Grunderkrankungen, die für eine Infektion prädisponieren können, angeraten. Zur Behandlung von Patienten mit aktiver Hepatitis-B- oder -C-Infektion liegen keine Erfahrungen vor.
Wegen der Gefahr von Thrombozyto-, Lympho- und Neutropenien und einer Erhöhung der Blutlipid-Werte ist vor allem bei älteren Patienten eine regelmäßige Kontrolle des Blutbilds und der Lipid-Konzentrationen erforderlich. Vor Beginn einer Therapie sollten alle Immunisierungen auf den aktuellen Stand gebracht werden, da keine Studien zum Ansprechen auf Impfungen während der Behandlung durchgeführt wurden. Die Anwendung von (attenuierten) Lebendimpfstoffen, z. B. auch gegen Herpes-zoster-Infektionen, ist während oder unmittelbar vor der Behandlung zu vermeiden. Insbesondere Patienten mit Prädisposition für tiefe Venenthrombosen müssen unter einer Abrocitinib-Behandlung engmaschig überwacht werden, da das Risiko für thrombotische Ereignisse erhöht ist. In klinischen Studien wurden unter dem JAK1-Inhibitor maligne Erkrankungen wie nichtmelanozytärer Hautkrebs beobachtet, allerdings gibt es noch keine ausreichenden Daten zu Evaluierungen der Langzeit-Sicherheit. Falls entsprechend vorbelastete Patienten überhaupt mit Abrocitinib behandelt werden, müssen sie regelmäßig auf Malignome untersucht werden.
Schwangerschaft und Stillzeit
Die Anwendung von Abrocitinib während der Schwangerschaft ist kontraindiziert. Tierexperimentelle Studien an Ratten und Kaninchen haben embryofetale Letalität und Skelettveränderungen bei den Feten gezeigt. Weiterhin kam es zu Auswirkungen auf die Geburt und die peri- bzw. postnatale Entwicklung. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während und bis zu einem Monat nach Beendigung der Behandlung zuverlässig verhüten. Es ist zudem nicht bekannt, ob Abrocitinib oder seine Metaboliten in die Muttermilch übergehen. Im Tierversuch war dies der Fall. Da derzeit ein Risiko für den gestillten Säugling nicht ausgeschlossen werden kann, gilt auch während der Stillzeit eine Kontraindikation. Möglicherweise kommt es durch den JAK1-Inhibitor zu einer reversiblen Beeinträchtigung der weiblichen Fertilität.
Handelspräparat Cibinqo®
Hersteller
Einführungsdatum
Zusammensetzung
50 mg; 100 mg bzw. 200 mg Abrocitinib
Sonstige Bestandteile
mikrokristalline Cellulose (E460i), Calciumhydrogenphosphat (E341ii), Carboxymethylstärke-Natrium, Magnesiumstearat (E470b), Hypromellose (E464), Titandioxid (E171), Lactose-Monohydrat, Macrogol, Triacetin (E1518), Eisen(III)-oxid (E172)
Packungsgrößen, Preise, PZN
14 Filmtabletten à 50 mg, 684,45 Euro, PZN 17388103;
28 Filmtabletten à 50 mg, 1357,61 Euro, PZN 17388126;
91 Filmtabletten à 50 mg, 4299,60 Euro, PZN 17388095;
14 Filmtabletten à 100 mg, 684,45 Euro, PZN 17388037;
28 Filmtabletten à 100 mg, 1357,61 Euro, PZN 17388043;
91 Filmtabletten à 100 mg, 4299,60 Euro, PZN 17388014;
14 Filmtabletten à 200 mg, 852,74 Euro, PZN 17388072;
28 Filmtabletten à 200 mg, 1689,15 Euro, PZN 17388089;
91 Filmtabletten à 200 mg, 5360,11 Euro, PZN 17388066
Indikation
mittelschwere bis schwere atopische Dermatitis bei Erwachsenen, die für eine systemische Therapie infrage kommen
Dosierung
Die empfohlene Anfangsdosis beträgt normalerweise 200 mg einmal täglich. Während der Behandlung kann die Dosis je nach Verträglichkeit und Wirksamkeit angepasst werden.
Kontraindikationen
Überempfindlichkeit gegen Abrocitinib; aktive, schwerwiegende systemische Infektionen, einschließlich Tuberkulose; schwere Leberfunktionsstörungen; Schwangerschaft und Stillzeit
Unerwünschte Wirkungen
Die am häufigsten gemeldeten Nebenwirkungen sind Übelkeit (15,1%), Kopfschmerzen (7,9%), Akne (4,8%), Herpes simplex (4,2%), erhöhte Creatinphosphokinase-Werte (3,8%), Erbrechen (3,5%), Schwindelgefühle (3,4%) und Schmerzen im Oberbauch (2,2%).
Wechselwirkungen
Arzneimittel, die Inhibitoren oder Induktoren der Enzyme CYP2C19, CYP2C9, CYP3A4 oder CYP2B6 sind, können die Bioverfügbarkeit von Abrocitinib und/oder seinen aktiven Metaboliten verändern und zu verstärkten unerwünschten Arzneimittelwirkungen bzw. einer reduzierten Wirkung führen.
Warnhinweise, Vorsichtsmaßnahme
Während der Behandlung mit Abrocitinib sind schwere Infektionserkrankungen, Virusreaktivierungen, erhöhte Lipidwerte, tiefe Venenthrombosen einschließlich Lungenembolien sowie maligne Erkrankungen möglich. Die Behandelten sind dahingehend zu überwachen.
Literatur
[1] Fachinformation zu Cibinqo®, Stand Dezember 2021
[2] Simpson EL, Sinclair R et al. Efficacy and safety of abrocitinib in adults and adolescents with moderate-to-severe atopic dermatitis (JADE MONO-1): a multicentre, double-blind, randomised, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2020;396:255-266
[3] Silverberg JI, Simpson EL et al. Efficacy and safety of abrocitinib in patients with moderate-to-severe atopic dermatitis. JAMA Dermatol 2020;156(8):863-873
[4] Bieber T, Simpson EL et al. Abrocitinib versus placebo or dupilumab for atopic dermatitis. N Engl J Med 2021;384(12):1101-1112
[5] EPAR summary for the public. Cibinqo® Abrocitinib. EMA/ 700036/2021; European Medicines Agency; www.ema.europe.eu
15.01.2022